Warum eine moderne Fehlerkultur entscheidend ist
- Lars Lilienthal
- 10. Jan.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Jan.

In einer zunehmend dynamischen Geschäftswelt ist die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, ein zentraler Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die Fehler offen ansprechen und konstruktiv für sich nutzen, fördern Innovation, Vertrauen und Resilienz.
Eine positive Fehlerkultur ist besonders in mittelständischen Unternehmen von Bedeutung, um sich durch Agilität und Anpassungsfähigkeit von der Konkurrenz abzuheben.
Eine neue Kultur im Umgang mit Fehlern muss Teil der Unternehmenskultur werden und in alle Prozesse integriert werden. Die besondere Herausforderung hierbei besteht darin, Fehler von Personen zu trennen. In einer positiven Fehlerkultur geht es nicht darum, wer den Fehler gemacht hat, sondern warum dieser passiert ist.
Grundprinzipien der modernen Fehlerkultur:
Offenheit und Transparenz: Fehler werden offen kommuniziert und sachlich diskutiert.
Lernorientierte Denkweise: Der Fokus liegt auf den Lehren aus Fehlern, nicht auf Schuldzuweisungen.
Psychologische Sicherheit: Mitarbeitende fühlen sich sicher, Fehler zuzugeben, ohne negative Konsequenzen zu befürchten.
Konstruktives Feedback: Fehler werden als Grundlage für Verbesserungen genutzt, nicht für Kritik.
Innovation belohnen: Mut zu neuen Ideen und Lösungsansätzen wird anerkannt, auch wenn sie nicht immer erfolgreich sind.
Kollaborative Problemlösung: Teams arbeiten zusammen, um Ursachen zu analysieren und Lösungen zu entwickeln.
Führungskräfte als Vorbilder: Führungskräfte gehen mit gutem Beispiel voran, indem sie eigene Fehler zugeben und aus ihnen lernen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Etablierung einer positiven Fehlerkultur:
1. Klare Vision und Kommunikation der Fehlerkultur
To-Do: Entwickeln Sie eine Fehlerkultur-Strategie mit klaren Leitlinien. Beispielsweise: „Fehler als Chance zur Innovation und Weiterentwicklung.“
Kommunikation:
CEO und Führungskräfte positionieren sich deutlich für eine offene Fehlerkultur.
Nutzen Sie interne Plattformen, wie auch den persönlichen Dialog zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft, um die Bedeutung von Fehlern als Lernchance zu betonen. Die Bedeutung einer positiven Fehlerkultur für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sollte ein Mindset-Shift bei den Mitarbeitenden auslösen. Weg von der Angst vor Fehlern und der damit möglicherweise verbundenen Bloßstellung, hin zur Chance etwas verbessern zu können.
Beispiel: „Unser Ziel ist es, aus jedem Fehler mindestens eine innovative Lösung zu entwickeln.“
2. Führungskräfte als Vorbilder schulen:
To-Do: Führungskräfte übernehmen eine Schlüsselrolle in der Fehlerkultur. Sie sollten:
Eigene Fehler transparent machen und zeigen, wie sie daraus lernen.
Lob und Anerkennung aussprechen, wenn Mitarbeitende konstruktiv mit Fehlern umgehen.
Schulungen: Bieten Sie Workshops zu emotionaler Intelligenz, Feedback-Techniken und Konfliktmanagement an.
3. Psychologische Sicherheit im Team fördern:
To-Do: Sicherstellen, dass sich alle Mitarbeitenden sicher fühlen, ihre Meinung zu äußern und Fehler einzugestehen.
Maßnahmen:
Regelmäßige Check-ins, um Bedenken oder Unsicherheiten frühzeitig zu adressieren.
Anonyme Feedbackmöglichkeiten schaffen.
Schulungen für Führungskräfte zur Förderung von Vertrauen und Offenheit.
Beispiel: In Team-Meetings wird jede Woche ein „Fehler der Woche“ vorgestellt, um daraus zu lernen.
4. Fehleranalyse als festen Prozess etablieren
To-Do: Entwickeln Sie einen strukturierten Prozess zur Fehleranalyse.
Maßnahmen:
Einberufung von „Lessons Learned“-Sitzungen nach Projekten oder Fehlern: Nach jedem Projekt analysieren Teams, was gut lief und was verbessert werden kann, ohne Schuldzuweisungen.
Root-Cause-Analysis (RCA) als Tool.
Wichtig: Fehler zu analysieren, ist keine Suche nach Schuldigen. Es ist eine Suche nach besseren Lösungen.
5. Unterschiede in Teams wertschätzen und nutzen
To-Do: Fördern Sie die Zusammenarbeit zwischen Generationen und Kulturen, um unterschiedliche Perspektiven einzubringen.
Maßnahmen:
Workshops zu intergenerationalem Lernen und kulturellem Verständnis organisieren.
Teams gezielt divers zusammenstellen: Jüngere Mitarbeitende bringen oft Innovationsfreude ein, während erfahrene Mitarbeitende Risikobewusstsein und strategisches Denken fördern.
Beispiel: Ein „Reverse Mentoring“-Programm einführen, bei dem Jüngere Ältere zu digitalen Tools schulen und Ältere Erfahrungswissen teilen.
6. Fehler als Chancen sichtbar machen
To-Do: Entwickeln Sie ein Belohnungssystem, das konstruktives Fehlerhandling fördert.
Maßnahmen:
Jährliche „Best Mistake Awards“ für innovative Lösungen, die aus Fehlern entstanden sind.
Erfolgsstorys im Intranet oder in Firmennewslettern veröffentlichen
.
7. Technologie und Tools unterstützen
To-Do: Nutzen Sie digitale Tools, um Fehler transparent zu dokumentieren und den Lernprozess zu unterstützen. Stellen Sie hierbei Teams so zusammen, dass diese bereichsübergreifend zusammenarbeiten, um Probleme zu lösen.
Tools:
Projektmanagement-Software wie Trello oder Jira für Fehler-Tracking.
Feedback-Plattformen wie Officevibe oder CultureAmp für anonymes Feedback.
Automatisierung: KI-gestützte Systeme können bei der Analyse von Fehlern helfen und präventive Maßnahmen vorschlagen.
Für effektives bereichsübergreifendes Fehlertracking und die gemeinsame Problemlösung in Unternehmen sind Tools unerlässlich, die sowohl die Erfassung von Fehlern als auch die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen ermöglichen.
Hier sind einige der besten Lösungen:
Ein weit verbreitetes Tool für Fehlerverfolgung und Projektmanagement, das Teams hilft, Aufgaben zu planen, zu verfolgen und zu verwalten. Jira unterstützt die bereichsübergreifende Zusammenarbeit von Usern aus
verschiedenen Abteilungen durch anpassbare Workflows und
Integrationen mit anderen Tools.
Asana ermöglicht es Teams, Projekte und Aufgaben zu organisieren, zu
verfolgen und zu verwalten. Es bietet Funktionen zur
Aufgabenverteilung, Terminplanung und Fortschrittsverfolgung, was die
bereichsübergreifende Zusammenarbeit erleichtert.
ClickUp ist eine cloudbasierte Plattform für Projektmanagement und Teamzusammenarbeit mit einer übersichtlichen Oberfläche. Mit ClickUp kannst du Aufgaben erstellen, zuweisen und verfolgen sowie Dokumente teilen und in Echtzeit zusammenarbeiten.
Als Teil von Microsoft 365 integriert Teams Chat, Besprechungen,
Notizen und Anhänge. Es ermöglicht die bereichsübergreifende
Zusammenarbeit durch gemeinsame Dokumentbearbeitung und
Integration mit anderen Microsoft-Diensten.
Slack ist eine Kommunikationsplattform, die den Austausch zwischen
Teams erleichtert. Durch Kanäle können themenspezifische Diskussionen
geführt und Dateien geteilt werden, was die bereichsübergreifende
Zusammenarbeit unterstützt.
8. Regelmäßige Evaluation und Anpassung
To-Do: Überprüfen Sie regelmäßig, wie gut die Fehlerkultur umgesetzt wird, und passen Sie die Maßnahmen an.
Maßnahmen:
Jährliche Mitarbeitendenbefragungen zur Wahrnehmung der Fehlerkultur.
Analyse der Auswirkungen auf Innovation, Produktivität und Mitarbeitendenzufriedenheit.
Beispiel Personaldienstleister Root-Cause Analyse mit Diagramm:
Ein Personaldienstleister erhält von seinen Kunden (Auftragsunternehmen) zunehmend negatives Feedback bezüglich der Qualität der eingesetzten Zeitarbeitskräfte und der Serviceleistung. Das Team entscheidet sich, dieses Feedback genauer zu analysieren und die genannten Probleme zu konkretisieren:
Kunden beschweren sich über mangelnde Qualifikation der vermittelten Arbeitskräfte.
Verzögerungen bei der Besetzung von Aufträgen.
Kommunikation zwischen dem Dienstleister und Kunden ist unzureichend.
Ziel unserer Fehleranalyse ist es, die Hauptursachen (Root Causes) für das schlechte Feedback herauszuarbeiten, um daraus konkrete Lösungen zu entwickeln.
Um Fehleranalyse ganzheitlich zu betrachten, bedient man sich dem Fischgrät-Modell als klassischem Management-Tool.

Anhand der Fehleranalyse lassen sich konkrete Maßnahmenpläne ableiten:
Kurzfristige Maßnahmen:
Einführung eines standardisierten Kundenbriefings mit Checklisten
Schulung des Rekrutierungsteams zur besseren Identifikation von Kundenanforderungen
Einrichten eines automatisierten Kommunikationssystems (z. B. Status-Updates per E-Mail)
Mittelfristige Maßnahmen:
Implementierung eines KI-gestützten Matching-Systems für Arbeitskräfte und Vakanzen, um präzisere und schnellere Besetzungen zu ermöglichen
Automatisieren administrativer Aufgaben wie Vertragsmanagement, Zeiterfassung usw.
Optimierung der internen Prozesse durch Erweiterung vorhander Tools oder Lizenzerwerb eines modernen Recruiting-Tools für Personaldienstleister
ggf. Fokus auf spezifische Branchen
Digitale-Präsenz erhöhen und Community-Management betreiben
Langfristige Maßnahmen:
Aufbau eines Talentpools mit vorab qualifizierten Arbeitskräften.
Anbieten von Weiterbildungsprogrammen, um Kompetenzen von Arbeitskräften an neue Anforderungen anpassen zu können
Regelmäßige Feedbackgespräche mit Kunden zur Verbesserung der Zusammenarbeit
Mit Arbeitsmarktprognosedaten arbeiten, um Kunden proaktiv zu beraten
Dienstleistungen um Outplacement und Interim-Management erweitern
Spezielle Herausforderungen bei einer positiven Fehlerkultur:
Unterschiedliche Generationen und Wertvorstellungen
Herausforderung: Jüngere Generationen (z. B. Gen Z) erwarten eine offene und technologiegestützte Kommunikation, während ältere Generationen (z. B. Babyboomer) möglicherweise traditionellere Werte bevorzugen.
Lösung:
Kombinieren Sie bewährte Strukturen mit innovativen Ansätzen.
Fördern Sie Dialoge zwischen Generationen, um gegenseitiges Verständnis aufzubauen.
Widerstand gegen Veränderungen
Herausforderung: Mitarbeitende oder Führungskräfte könnten Angst vor einer offenen Fehlerkultur haben.
Lösung:
Beginnen Sie mit Pilotprojekten in einzelnen Abteilungen.
Nutzen Sie Erfolgsgeschichten, um Skeptiker zu überzeugen.
Eine moderne Fehlerkultur ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen, die ihre Führungskräfte schulen, psychologische Sicherheit fördern und generationenübergreifende Zusammenarbeit stärken, schaffen eine Umgebung, in der Mitarbeitende wachsen und Innovation gedeihen kann. Indem Sie Fehler als Chance begreifen, positionieren Sie Ihr Unternehmen als Vorreiter und attraktiven Arbeitgeber im Mittelstand.
Abschließend einige Praxisbeispiele im Überblick:
1. Google: „Failure Fridays“
Maßnahme: Google fördert aktiv das Experimentieren mit neuen Ideen. Teams präsentieren ihre gescheiterten Projekte bei „Failure Fridays“.
Erfolg: Diese Kultur hat zur Entwicklung innovativer Produkte wie Gmail und Google Maps geführt, die ursprünglich Nebenprojekte waren.
2. Toyota: Kaizen und Fehlerquellen eliminieren
Maßnahme: Toyota setzt auf das Kaizen-Prinzip, bei dem Mitarbeitende Fehler direkt melden und Vorschläge zur Verbesserung machen können. Jeder Fehler wird als Chance gesehen, Prozesse zu optimieren.
Erfolg: Eine drastische Reduktion von Produktionsfehlern und eine Verbesserung der Qualität, was Toyota zum Branchenführer gemacht hat.
3. Pixar: „Braintrust“-Sitzungen
Maßnahme: Bei Pixar gibt es regelmäßige „Braintrust“-Meetings, bei denen Teams Feedback zu unfertigen Projekten geben. Fehler oder Schwächen werden offen diskutiert, ohne Schuldzuweisungen.
Erfolg: Diese Kultur hat Pixar geholfen, eine Serie von erfolgreichen Animationsfilmen wie „Toy Story“ und „Finding Nemo“ zu produzieren.
4. Etsy: Fehler öffentlich machen
Maßnahme: Etsy erstellt eine öffentliche Fehlerdatenbank („Blameless Postmortems“), in der technische Fehler dokumentiert werden. Die Verantwortlichen analysieren diese gemeinsam, ohne Schuld zu suchen.
Erfolg: Die Plattform hat ihre Systemstabilität erheblich verbessert, was die Kundenzufriedenheit und das Vertrauen in die Plattform gestärkt hat.
5. Microsoft: „Growth Mindset“-Philosophie
Maßnahme: Unter CEO Satya Nadella wurde ein „Growth Mindset“ eingeführt, bei dem Fehler als Lernchancen betrachtet werden. Teams werden ermutigt, Risiken einzugehen und zu experimentieren.
Erfolg: Die Umstellung der Unternehmenskultur führte zu einem massiven Innovationsschub, insbesondere bei Cloud-Services wie Azure.
6. Tata Group: „Dare to Try“-Awards
Maßnahme: Tata belohnt Mitarbeitende mit dem „Dare to Try“-Award für innovative Projekte, selbst wenn diese scheitern.
Erfolg: Diese Initiative hat den Mut zur Innovation gefördert und zu erfolgreichen Projekten wie dem Tata Nano (weltweit günstigstes Auto) geführt.
7. Airbnb: „Postmortem-Analysen“
Maßnahme: Airbnb führt nach jedem Projekt eine Postmortem-Analyse durch, bei der Fehler dokumentiert und Lösungen für die Zukunft entwickelt werden.
Erfolg: Diese Methode hat es Airbnb ermöglicht, Krisensituationen wie den COVID-19-Einbruch zu bewältigen und sich erfolgreich an neue Marktbedingungen anzupassen.
8. Elon Musk bei SpaceX: „Erfolg durch Scheitern“
Maßnahme: SpaceX akzeptiert Fehler als Teil des Innovationsprozesses. Raketenprototypen werden mit dem Bewusstsein getestet, dass sie scheitern könnten.
Erfolg: Diese Fehlerkultur hat dazu geführt, dass SpaceX als erstes privates Unternehmen eine Rakete erfolgreich ins All und wieder zurückgebracht hat.
9. Patagonia: Nachhaltige Fehlerlösungen
Maßnahme: Patagonia erkennt Fehler in der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie offen an und arbeitet mit Mitarbeitenden und Kunden an Lösungen.
Erfolg: Die Ehrlichkeit hat das Vertrauen der Kundschaft gestärkt und Patagonia als Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften etabliert.
10. IBM: „Wild Ducks“-Programm
Maßnahme: IBM belohnt Mitarbeitende, die unkonventionelle Ideen einbringen, auch wenn diese scheitern. Fehler werden als notwendiger Teil des Fortschritts akzeptiert.
Erfolg: Dieses Programm hat IBM geholfen, in der digitalen Transformation weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben und innovative Technologien wie Watson AI zu entwickeln.
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